Es gibt zahlreiche Traditionen auf Samothraki, die sich in Form von Musik, Tanz, Tracht aber auch in Gepflogenheiten ausdrücken.
Hierbei handelt es sich eigentlich um eine sehr umfangreiche Thematik. Am Anfang denkt man "laß uns schnell etwas hinschreiben", aber sehr schnell stellt man fest, dass man auf diese Art nicht sehr weit kommt. Viel mehr würde solch eine Vorgehensweise mehr Verwirrung verursachen und viele Lücken bilden - nicht gut.
Bitte haben Sie Verständnis, dass diese Thematik langsam über die Zeit aufgebaut werden wird. Es gibt dabei zwei Vorgehensweisen:
Die gesamte Information wird gesammelt und erst dann ins Netz gestellt. Das kann aber schon etwas dauern und die ewigen "unter Bearbeitung" Seiten sind schon ziemlich enttäuschend für den Besucher. Und uns machen sie nervös, denn es vermittelt den Eindruck, dass wir auf keinen grünen Zweig kommen.
Man stellt die Information stückchenweise ins Netz. Das soll nicht nach "Dalli-Klick" geschehen, sondern eher wie eine Art Fortsetzungsroman.
Wir werden uns für die zweite Möglichkeit entscheiden. Finden Sie im folgenden:
Bevor wir in die Welt der Traditionen eintauchen, lassen Sie uns etwas über den Hintergrund erzählen. Nicht so, wie man ihn in einer Diplomarbeit vorfinden mag - die Spezialisten mögen uns hier verzeihen - sondern wie er von uns empfunden wird.
Verfolgen wir das ganze über die Zeit, dann werden wir die Entwicklung vierer Generationen sehen, deren Hintergrund sich grundlegend unterscheidet!
Die erste Generation ist die Generation, die noch auf Samothraki wohnte, und - bis auf wenige Ausnahmen - keinen Gedanken daran verschwendete, sich ins Ausland zu begeben. Lassen Sie uns diese Generation respektvoll die Alte Generation nennen.
Die zweite Generation bilden diejenigen, die Ende der 50er und in den 60ern als Gastarbeiter nach Deutschland kamen, zusammen mit ihren Schicksalsgenossen aus der Türkei, Italien, Jugoslawien, Spanien und anderen Ländern. Nennen wir diese Generation die Erste Generation (die ersten, die ihre Heimat verließen).
Die nächste Generation wird von den Leuten gebildet, die in Deutschland geboren wurde, beziehungsweise in sehr kleinem Alter mit ihren Eltern nach Deutschland kamen (bzw. in die USA oder nach Australien gingen). Diese Generation bezeichnen wir im folgenden als die Zweite Generation.
Logischerweise bleibt noch eine Generation zu nennen, die aber noch nicht ihren gesellschaftlichen Charakter gebildet hat, weil dies die Kinder der Zweiten Generation sind. Sie befinden sich zumeist im Baby- bzw. Kleinkindalter und bilden die Dritte Generation.
Wir dürfen hier nicht vergessen, dass in der Heimat deswegen keiner aufgehört hat, selber Kinder zu zeugen. Demnach haben wir natürlich auch die entsprechenden Generationen auf Samothraki und in Griechenland. Sie lassen sich nicht so streng in oben genannte Klassen einteilen, da hier das Ereignis der Emigration - also die Stunde Null - fehlt.
Die Alte Generation lebt seit jeher in ihrer Heimat. Zur Zeit ihrer persönlichen Entwicklung gab es noch sehr wenig Einflüsse von außen, es gab keine Fernseher und kaum ein Radio, die Schulbildung war sehr beschränkt und meist war das Leben in den damals typischen Großfamilien von der Arbeit bestimmt (Landwirtschaft, Viehzucht, Fischerei). Diese Leute lebten die Tradition tagtäglich, für sie stelle sich nie die Frage des Erhalts und der Pflege.
Die Erste Generation ist die Generation mit dem krassesten Lebenswandel. Sie verließ die Heimat in der Hoffnung auf ein besseres Leben, oft sehr froh dem beschränkten Leben auf der Insel entfliehen zu können. Sie gingen in eine fremde Welt, ohne eigentlich genau zu wissen, was sie dort erwartete. Man stellt sich eine Zeit vor, in der selbst ein Festnetztelefon nicht die Regel war, in der Kommunikation in die Heimat oft Wochen und Monate dauerte, in der man von einer sprachlichen Barriere auf die nächste prallte und stark von Unsicherheit bis hin zur Verzweiflung geprägt war.
Eine Zeit, in der man also generell sehr auf Seinesgleichen angewiesen war. Das Resultat war natürlich eine engere Bindung zwischen den Samothrakern. Diese Menschen weitab ihrer Heimat verspürten und verspüren immer noch im Erhalt ihrer Traditionen eine mentale Bindung zu Samothraki und haben logischerweise mehr oder weniger diese Bindung lebendig gehalten, indem sie diese so gut es ging auch gelebt haben.
Parallel dazu machten sie den Prozess der Integration durch: man lernte neue Freunde kennen, Deutsche und Menschen aus anderen Ländern und konnte sich aufgrund einer gemeinsamen Grundkultur langsam anpassen.
Die entsprechenden Generationen, die in der Heimat geblieben sind, verspürten nicht den Drang dermaßen intensiv, die Wurzeln aufrecht zu erhalten. So entwickelten sie sich anders in bezug darauf. Man könnte sagen, dass sie sich weiterentwickelten, während bei den Leuten hier der Charakter weiterhin mehr dem ihrer Eltern entsprach.
Interessant ist, dass sich die Erste Generation eigentlich gar nicht mehr unter dem Einfluss ihrer Eltern befanden, was noch einen interessanten Unterschied zu den daheim verbliebenen bildet. Das gab ihnen natürlich viel mehr Freiheiten, legte ihnen jedoch auch sehr starke Eigenverantwortung und Bürde auf.
Nach den ersten Jahren, als das erste Geld angespart war, und eigentlich bis heute, wird man bei der großen Mehrheit feststellen, dass sie fast immer im Urlaub nach Samothraki fahren. Ihre Altersgenossen in der Heimat würden eher bei dieser Gelegenheit das Land verlassen oder andere Orte in Griechenland besuchen wollen.
Irgendwann einmal kamen auch die Kinder der Zweiten Generation auf die Welt. Zum größten Teil hier geboren, kamen die Kinder hier auf den Kindergarten, auf die Schule, hatten in ihrem Freundeskreis Deutsche und andere Ausländer und wuchsen somit mit zwei Mentalitäten auf.
Sie erleben Samothraki als eine Art idealisierten Mythos, aus den Erzählungen ihrer Eltern und den Urlaubsbesuchen. Sie haben nur in seltenen Fällen wirklich längere Zeit auf der Insel gelebt, in einer Zeit in der es viel weniger Armut gibt, in der Strom, Fernsehen und Unterhaltung schon selbstverständlich sind, in einer Welt, die man sich farbig und nicht schwarzweiß wie die unserer Großeltern vorstellt.
Warum idealisierter Mythos? Nun, die innere Bindung gab die Erste Generation ihren Kindern weiter: in der Erziehung, in Erzählungen, im daheim gesprochenen Dialekt usw. Total davon geprägt und die schöne Urlaubszeit auf der Insel, in der man auch von den selten gesehenen Großeltern auch so richtig verwöhnt wird, sind die Eindrücke meistens ausschließlich positiv. Man darf nicht vergessen, dass ganz im Sinne der Tradition, Großeltern und Enkelkinder den gleichen Namen tragen (man gibt den Namen der Eltern an seine Kinder weiter), was natürlich auch stärker bindet.
Für viele von uns ist Samothraki der Inbegriff des Garten Edens (erlauben Sie uns auch etwas zu übertreiben...)
Parallel zum Einfluss der Eltern, die interessanterweise meistens ihre Kinder streng im Griff haben, wurde die Zweite Generation anders geprägt: das Erlernen der deutschen Sprache im Kindesalter, ein anderes Verhalten, eine offenere Gesellschaft - dies sorgte für eine verschiedene Entwicklung. Hier war der Vergleich mit anderen Gleichaltrigen da. Man wuchs aber auch in einer sich immer schneller ändernden Welt: mehr Autos, Fahrräder, Sport- und Unterhaltungsmöglichkeiten, Elektronik, Musik, Fast Food, Computer, Handy.
Im Ausgleich dazu legen die Eltern hier sehr großen Wert darauf, dass die Kinder auch die griechische Schule besuchen. Abgesehen davon, dass die Kinder jeden Tag Mittagsschule haben, ist das für die meisten auch ein Eintauchen in zwei verschiedene Welten an einem Tag - und das jeden Tag.
Auch die Problematiken waren und sind andere: der Arbeitsmarkt und die Anforderungen haben sich geändert, die Masse an Informationsflut ist gestiegen und man ist die erste Generation, die Krieg und Besetzung nie mit eigenen Augen gesehen hat bzw. nie Hunger gelitten hat.
Hier lässt sich schon erahnen, dass für die Traditionen nicht mehr so viel Platz im täglichen Leben übrig bleibt.
Eventuell ist es wichtig hier zu erwähnen, dass in dieser Generation Deutsch schon keine Fremdsprache mehr ist, und dass es teilweise besser gesprochen wird als Griechisch.
In Griechenland selber ist die Zeit auch nicht stehen geblieben. Aufgezogen von Eltern, die ihre traditionellen Prioritäten anders setzten, meistens einsprachig und mit keiner Automobilfirma in der Nachbarschaft, wuchsen die Gleichaltrigen unter doch ziemlich unterschiedlichen (kulturellen) Bedingungen und mit anderen Schwerpunkten in ihrem Leben auf.
Wir sehen hier schon eine Weiterentwicklung in verschiedene Richtungen. Vergessen wir nicht die Sprache!
Die Dritte Generation - und somit Enkel der Ersten - wird noch weniger Bindung haben. Mit der Fernsteuerung in der Hand, mit sich auf Deutsch zu Hause sprechenden Eltern, in einer im Vergleich zu früher extrem schnelllebigeren Zeit und einer Überfülle an Eindrücken, werden sie ihren Eltern wohl ähnlicher sein, als diese wiederum ihren Eltern.
Sie werden ihre Wurzeln eher aus der Ferne erleben.
Hier wird Deutsch schon als viel verständlichere Sprache. Zum schulischen Hintergrund kann man hier noch nichts Konkretes sagen, aber man kann hier nicht mal eben einfach eine Prognose aufstellen, inwieweit weiterhin zwei Schulen besucht werden.
Die Möglichkeit, zwei Schulen zu besuchen, erschafft eine weitere Klassifizierung innerhalb der Zweiten Generation. Da sind diejenigen, die ihren griechischen Schulabschluss machen, um dann nach Griechenland zurückzukehren, um dort zu studieren oder dort direkt selbstständig werden.
Und da sind diejenigen, die die deutsche Schule absolvieren, und dann hier den Weg der Ausbildung gehen oder studieren. Oder selbstständig werden.
Verlassen wir die Unterteilung und kommen auf den Kulturverein. Er wurde natürlich von der Ersten Generation gegründet. In der Hauptsache organisierte er Tanzveranstaltungen und Ausflüge, um ein gemeinsames Beisammensein abseits vom Alltag zu ermöglichen.
Eine der wichtigsten "Institutionen" des Vereins war jedoch die Gründung des Tanzvereins, in dem die samothrakischen Tänze gelehrt werden und bei Veranstaltungen vorgeführt werden. So kamen viele der Zweiten Generation in sehr frühem Alter zu engem Kontakt mit dem Kulturverein.
So kommen wir zum "Hier und Heute": der Vorstand wird zum ersten Mal von der Zweiten Generation gestellt. Damit kam auch in den Kulturverein eine andere Einstellung zum Zuge: nicht nur das Festhalten an der Tradition, sondern auch das Einbringen von Prägungen der heutigen Zeit: so zum Beispiel diese Internetseite, die Kommunikation auch in deutscher Sprache (am lustigsten ist der absolut selbstverständliche Mischmasch aus deutsch-griechisch-samothrakisch in einem Gespräch). Ein weiterer Wandel vollzog sich im Tanzverein: nur die eigene Tradition zu tanzen ist beschränkt und monoton, also müssen auch fremde Tänze erlernt werden, was inzwischen auch realisiert wird.
Diese Änderungen haben - wie jede Medaille - zwei Seiten. Sie führen zu zwei Ansichten: die einen erwarten, dass alles für immer so bleibt, wie es ist. Die anderen wollen Erneuerungen, weil das ihnen nun mal mehr entspricht.
Man darf wohl behaupten, dass die Erste Generation in ihrer Mehrheit eher der ersten Gruppe zuzurechnen ist. Die zweite Gruppe, die damit kein Problem hat sind die jüngeren der Zweiten Generation. Die älteren der Zweiten Generation spalten sich in dieser Hinsicht. Man sieht hier praktisch einen Übergang, eine Brücke.
Wir, die webmaster, gehören zu den Älteren der Zweiten Generation. Wir kommen in ein Alter, in der wir nun der Prägung durch unsere Eltern entsprechend, in den Kulturverein hineinleben und langsam die Zügel übernehmen. Immer unter der Obacht unsere Elterngeneration, die uns ja streng im Griff hat ;-).
Unsere primäre Aufgabe im Vorstand des Kulturvereins ist es, die Jugendlichen für den Verein zu begeistern. Keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, dass das Interesse an der Tradition nun nicht mehr eine Sache der mentalen Gesundheit ist, und in einer Zeit, in der die alternativen Möglichkeiten schier unendlich ist.
Wir wollen ein Stück "Samothraki" aufrechterhalten, um eine Verbundenheit zu unseren Wurzeln zu wahren, um das Lustige und das Fröhliche was damit einhergeht zu fördern, aber auch um die Möglichkeit zu bieten, sich seiner speziellen Geschichte zu erinnern: nicht nur die großen antiken Jahre, als Samothraki ein bedeutendes religiös-kulturelles Zentrum war, nicht nur die byzantinischen Jahre, die osmanische Herrschaft, die unweigerlich ihre Spuren hinterlassen hat, die Weltkriege und die jüngere Geschichte des griechischen Staates. Diese Geschichte kann man in vielen Büchern finden.
Ein Stück Samothraki ist für uns auch die Geschichte unserer Eltern, die Geschichte ihrer Emigration, ihrer Zeit davor und danach, bis heute. Diese Geschichte wird es nicht in den Büchern geben. Diese Quelle zur Erhaltung der Tradition wird in dieser Form nicht festgehalten werden, deshalb ist es auch eines unsere großen Projekte, die Geschichte dieser Leute festzuhalten und in dieser Form den Jüngeren zugänglich zu machen.
Es ist eigentlich diese Generation, die mehrheitlich die älteste lebende Generation stellt und stellen wird und sie sind es dann, die noch aus eigener Erfahrung etwas zur Tradition erzählen können.
Fortsetzung folgt...